Sonntag, 11. Februar 2007

unfertiges Gefasel...

Ich trieb durch einen blauen Nebel, die Arme wie Flügel ausgebreitet.
Mein Kopf fühlte sich schwer an, doch ich wollte nicht nach unten sehen. Ich sah nach vorn. Im Nebel wurde mir das Atmen schwer, sodass ich bald begann müde zu werden, wie ich so dahin trieb. Wenn ich die Augen schloss sah ich vor mir ein grünes Tor, das oben und unten und zu beiden Seiten fest verschlossen war. Es sah mächtig aus. Wenn ich nur darauf zu kommen könnte, dachte ich, so würde ich versuchen es mit meinem Fuß zu öffnen. Ich drückte meinen Bauch und das Tor wurde zu einer kreisrunden Öffnung, durch die ich glitt.
Der Nebel verzog sich und ich stand in einerm Wald aus kugelförmigen Klößen auf deren Oberfläche kraterhafte Einschläge zu erkennen waren. Zuerst sah ich mich neugierig um, doch bald lief ich übermütig zwischen den verschieden großen Klößen hin und her, stieg mal auf diesen und auf jenen und tat, als sei ich der König der Planeten. Ich bastelte mir aus Laub und Blumen eine Krone und stieg immer höhere Planeten hinauf, bis ich den Boden schon fast nicht mehr saß.
Als ich auf dem obersten Planeten angekommen war betrachtete ich mein Reich, doch schon bald wurde ich des eintönigen Ausblicks auf die Ballwelt überdrüssig. Ich entschied, dass es wohl das Beste sei die andere Seite meiner Welt zu erkunden und so lief ich über die Oberfläche meiner Kugel auf die andere Seite, bis mir die Haare zu Berge standen, da mein Kopf ja nun nach unten hing.
Vor mir auf der Erde befand sich eine Falltür. Ich sah wieder nach oben und bemerkte, dass an der Unterseite jedes Planeten eine Falltür angebracht war. Es kostete mich einige Anstrengung jene vor meinen Füßen zu öffnen, doch kurz darauf stieg ich stetig die Treppe ins Dunkel hinab. Oder stieg ich sie hinauf? Denn bald schon wurde ich einer Klappe am Ende der Treppe gewahr welche mich - meiner Verwunderung zum Trotze - auf die Unterseite eines kleinen Planeten führte. Oder war das die Oberseite? Ich umschritt den Planeten mit eiligen Schritten einige Male, doch vermochte ich nicht mehr zu sagen, wo nun oben und unten war. Ich fand auch nicht mehr zur Falltür.
Stattdessen fand ich ein Schild. "Hier springen" stand darauf und ich sprang und kam in einen Raum in dem es nach Zwiebeln roch. Die Tür schlug hinter mir in die Seite, sodass ich voran stolperte. Inmitten des Raumes stand ein Tisch und auf diesem Tisch tanzten kleine Figuren aus Glas zu einer Melodie, die ihre kleinen Körper hervorbrachten, wenn sie aneinander rieben. Einige gutgekleidete Herren mit großen Köpfen standen um den Tisch herum, flüsterten und berieten sich scheinbar, zeigten mal hier, mal da diskret und kurz auf eine der tanzenden Figuren und ihre Köpfe wackelten und nickten ununterbrochen.
Mit einem Mal wurden sie leiser und drehten sich zu mir herum. Sie summten und versuchten ihre Köpfe still zu halten, was ihnen nicht gelang.
Ich starrte auf den Tisch und in ihre Gesichter. Sie schienen nicht sonderlich erfreut über mich zu sein. Einer begann zu ticken, erst langsam und immer schneller und immer schneller wurde auch sein Nicken und die anderen stimmten ein. Sehr bald war der Raum erfüllt vom Knacken und Klicken, das immer schneller wurde und die Schädel bewegten sich so schnell, dass sie verschwammen und ich annehmen musste gleich würden sie platzen.

Samstag, 10. Februar 2007

Wie kam ich nur da drauf...

Die Luft trug noch immer den Rauch der letzten Nacht, als ich die Augen öffnete. Den bitteren Geschmack herunter schluckend blickte ich müde umher. Die meisten der Kerzen waren ausgegangen, das Licht der verbliebenen Stummel zauberte einen faden Schein auf einige schlafende Gestalten. Auf meinem Schoß ruhte eine elektrische Gitarre. Ich drehte den Lautstärkeregler auf Null und das Brummen des Verstärkers verschwand langsam. Auf der anderen Seite des Sofas, auf dem ich saß schlief Richie den Schlaf der Gerechten. Gegenüber, jenseits des mit Kerzenwachs und Bierflaschen verzierten Tisches, auf der anderen Couch war Andy über einem Saxophon eingeschlafen.
Ich reckte mich kurz und begann mehr reflektorisch einige Saiten anzuschlagen. Unverstärkt zerplatzten die Klänge zwischen kaltem Zigarettenrauch und Bierdunst. Ich spielte weiter, langsam und leise und ebenso langsam begann ich mich zu erinnern.
Es klang, wie angeschlagene Weingläser, wie ein Toast bei einer Gala, wie ein Prosit auf einen guten Freund. Plong-pling-pi-ping.
Und ich stellte den Volumeregler auf eins und die Röhre in dem kleinen Engl-Verstärker erwachte erneut, heulte und zog die Töne wie Kaugummi in die Länge, presste sie aus und entlies ihre kernige Seele in den Raum. Ich schloss wieder die Augen und zupfte blind eine Melodie, die ich selbst noch nicht kannte, aber die so schaurig-schön war, dass sie mir die Tränen in die geschlossenen Augen trieb. Huuu!
Der Raum um mich verschwand, der Geruch nach Schweiß und die drückende Wärme blieben. Ich stand im Schatten einer Bühne, vor mir ein Meer aus Leibern und Köpfen, die erwartungsvoll zu mir blickten.
Ich machte einen Schritt, stieß mit dem Oberschenkel gegen die Les Paul.
Der dumpfe Bass umschlang mich wie Nebel. Ein Windstoß ergriff mich, trug mir den Sand und allerlei Gerüche der Freiheit zu, verwirbelte meine Haare. Es war heiß, der Tragegurt klebte an meiner nackten Schulter. Ich lehnte mich dankbar zurück, wechselte das Plektron zwischen meinen Fingern und spielte diese Melodie, so ergreifend und bewegungsreich ich nur konnte. Ich lief hin und her, die traurige Energie in Musik zu verwandeln, stampfte, sprang und schlug den Bass an. Ich ries den Hals nach oben, hielt mich nur am Vibrato. Wie eine Welle, die zurück rollte erklang das Echo aus den mitwiegenden Leibern.
Als ich den letzten Ton gespielt, vibriert und bis zur letzten Sekunde ausgehalten hatte trat neben mir ein Saxophon auf die Bühne: Andy!
Mit nicht weniger Hingabe blies er sich die Backen auf und entlockte seinem Instrument Töne in allen Farben. Ich lief zurück, während Andy seine Interpretation dieser Melodie spielte, die keiner von uns kannte.
Auch er beflügelte den letzten Ton und wieder wurden seine Mühen und sein hochrotes Gesicht mit zustimmenden Schreien gedankt.
Ich griff die Whiskeyflasche, die auf einer mannshohen Box stand, stellte mich neben Andy und sah ihn an. Er lachte, das Schilfrohr noch immer zwischen den Lippen. Wir zählten nicht ein, wir wussten nicht warum. Aber wir spielten uns die Melodien zu, wie Tennisbälle. der Hals der Whiskeyflasche glitt über die Bünde. Andy bog sich, wie er die Töne bog, presste in Rücklage die letzte Luft aus seinen Lungen, beugte sich vornüber, küsste sein Instrument, wie kein Zweiter.
Ich schloss die Augen, griff Akkord um Akkord, extatisch, drehte mich dabei im Kreis, in der Musik. Da war nur das Saxophon und irgendwie wusste ich, als es Zeit wurde. Ich drehte den Volumeregler kaum merklich herab und schlug die Saiten an. Er holte noch einmal tief Luft, lies eine Pause entstehen, bevor er ein Solo begann, das mir in Mark und Bein fuhr. Jeder Ton war mit derart viel Liebe entstanden, jedes Intervall enthielt soviel Spannung und jeder neue Ansatz brachte eine Flut neuer alter Gedanken, Erinnerungen mit. Soviel Angst und Zweifel, soviel Hoffnung und Resignation brachen aus seiner Musik hervor, dass ich irgendwann kaum mehr fähig war zu spielen, sondern meine Gitarre still hielt und nur mit offenem Mund da stand.
Mit einem Mal war es Totenstille. Allein Andy, der in seiner eigenen kleinen Welt zu sein schien und sein Instrument waren existent.
Seine Melodie wurde langsamer, wie die letzten Tropfen, die aus einer Flasche rinnen. Als er den letzten Ton hielt, den letzten Tropfen aus dem Flaschenhals sog wurde es dunkel.
Gegenüber, auf der anderen Seite des Tisches, der vor Kerzenwachs und leeren Flaschen kaum freie Fläche zeigte, jenseits des Aschenbechers, in dem ein nicht zuende gerauchter Joint lag, saß Andy auf dem Sofa, seine Arme fest um das goldene Blech gelegt und mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Richie räkelte sich neben mir im Traum.
Ich wusste nicht wie laut, oder ob ich überhaupt gespielt hatte. Aber scheinbar hatte sich niemand stören lassen.
Vorsichtig lehnte ich die Les Paul gegen den Verstärker und schwang mich unter leichtem Stöhnen in die Höhe. Mir war schwindelig, aber ich hielt mich an der Rückenlehne des Sofas fest, als ich mich langsam zur Tür quälte. Die Sonne warf helle Lichtsäulen durch die Schlitze des Rolladens, die sich mühelos durch die dicke Luft schnitten.
Jede Bewegung tat weh, mein Kopf fühlte sich an, wie eine geplatzte Bratwurst.
Erst jetzt übersah ich die vier schlafenden, zusammengekauerten Gestalten. Hannah war auf Julians Schoß eingeschlafen. Patrick und Tilo teilten sich im hinteren Eck einen dreckgen Schlafsack in Neonfarben.
Die Tür führte ans Tageslicht, direkt in den Garten.
Kühle, frische Morgenluft kam mir entgegen, wie eine kühle, frische Dusche. Ich stand da, blinzelte in die Sonne, lies mir die Mief und den Rauch vom Körper waschen und fühlte mich leicht. Ich streifte meine Turnschuhe und die Socken ab, breitete die Arme aus und setzte die nackte Fußsohle auf das taunasse Gras. Der Boden war kühl und es kitzelte beim Gehen. Aus eine sehr merkwürdige und andere Weise ging es mir gut. Ich freute mich auf den Tag.