Donnerstag, 9. Juli 2009

Original Mitschrieb

... aus dem Kurs "Medizinische Informatik". Nach und nach tröpfelten die Sätze zusammen und wenn wir noch mehr Kurstage gehabt hätten, ich bin mir sicher, dann wäre die Geschichte noch länger geworden. Ob ich sie noch weiter schreibe? Ja vielleicht, sobald Zeit ist. Der rote Faden ist schonmal gespannt.

Als der Junge erkannte, was er soeben mit eigenen Augen erlebt hatte, lief er aus dem Zimmer und auf das Dach des Hauses.
Seine Augen starrten leer gen Horizont, als er an den Rand des Dachfirsts trat. In seiner Hand baumelte die Puppe, deren Kleid bereits wieder zu verwelken begann, deren hölzernes Gesicht sich entfärbte, aschfaal und spröde wurde. Augen und Mund des Jungen standen stumm offen, die untergehende Sonne brach sich in seinem Blick. So stand er völlig regungslos und ließ Schweiß und Tränen auf seiner schmutzigen Haut trocknen. Bis er sich zu einem letzten schweren Atemzug, mehr einem Seufzen anhob, sich der kleine Körper bog und bäumte und sich vom Dach des Hauses abhob.
Die Arme ausgebreitet, den Kopf im Nacken brach der Junge an der Brust auseinander und eine riesenhafte Libelle zwängte sich aus der Hülle. Das bizarre Szenario spiegelte sich tausendfach in den lidlosen Facettenaugen wieder. Sechs stahlblaue Scheren verkrallten sich in den aufgeplatzen Leib, während das Insekt die unsichtbaren Flügel aus der Umklammerung des Brustkorbes befreite, bis sie in Regenbogenfarben schillerten, als seien sie aus Seifenblasen.
Mit einem Ruck drückte sich das Tier von seiner Hülle ab. Der Leichnam fiel zu Boden, zurück auf das Dach, wie ein nasses Kleidungsstück. Die Libelle jedoch erhob sich und flog unter immer leiser werdendem Brummen in die Abenddämmerung davon.
An der Seite des Jungen lag die alte Holzpuppe. Die Kleidung war nur mehr Fetzen, die bunte Lackierung fast vollständig verschwunden. Nur der Mund, als lächelnder Strich war noch zu erkennen.
Gerade als die Sonne ihre letzten Strahlen über den Horizont warf begann es zu regnen. Der Körper des Jungen jedoch veränderte sich unter den Tropfen, wurde dünner, blasser, löste sich auf und wurde abgewaschen, bis nichts mehr von ihm vorhanden war.