Sonntag, 26. Juni 2011

Der Buchmacher

Einführung in die Geschichte, die vor langer, langer Zeit geschrieben wurde


Alte Hände.
Alte, staubige Hände mit gelblichen Schwielen. Rauhe Hände, von vieler Tage Arbeit. Ledrige Haut, vom Sande der Wüste. Zitternde Bewegungen, von der Kälte der eingeschneiten Schlachtfelder. Stumpfe Nägel, die nicht mehr wachsen. Darunter wie die Ringe eines Baums: eine kurze Geschichte der Zeit.
Rechts schiebt die grauen Leinen von der Linken, den behaarten Arm hinauf. Sie rutschen zurück.
Links hält sich an Holz. Graues Holz, alt, staubig. Rauhe Maserung, rostige Nägel. Kirsche vielleicht, vielleicht noch härter. Oder das Holz von Noahs Arche.
Dunkle Dielenbretter, so unregelmäßig wie Treibholz. Vielleicht ist es das. Es hat sich etwas glattgerieben, vom Auf- und Abgehen. In den schattigen Spalten sitzt der Dreck der Straße. Abgelaufene Sandalen, die Füße darin erinnern daran, wie weit sie Menschen tragen können.
Ein Stuhl, nein ein Schemel. Ein Hocker. Kein großer Mann, eher schmächtig. Die Hexe gab ihm einen Buckel. Und auf dem Tisch...
Die Kiste ist leer, soweit leer überhaupt eine Bedeutung hat in dieser Kiste. Er nimmt das Brett und befestigt es an seinem Platz. Er legt den Hammer zur Seite, auf den Tisch. Etwas geht durch seinen Kopf.
Grauenvoll, seine Augen sind so dunkel, man kann sein Gesicht nicht sehen. Nicht, dass es Schatten gäbe in diesem Raum...
Prüfend horcht er an der Kiste. sein Haar fällt in einzelnen, grauen Strähnen von seinem Haupt und er streicht es beiseite. Es ist leise im Zimmer, im Raum, in der Zeit. Ein riesiges Rad dreht sich und setzt etwas frei, das niemals den Himmel sah. Am Mittelpunkt der Erde gibt es keine Sonne. Sein Körper, seine Seele, sein Geist, sie alle sind mit dem Rad verschmolzen. Doch es windet sich, frisst. Entrinnt. Der Mann schreckt auf, öffnet die Augen. Man sieht es und wundert sich. Der Mann ist blind.
Er ergreift den Hammer und führt den Dolch gegen die Kreatur. Ein lauter Knall erschüttert den Raum und wirft den Tisch um und all die Geräte. Das Licht erlischt. Es knackt, als wenn Knochen splittern. Die Kiste zerspringt, kein Teil, das auf dem anderen bleibt. Die Stücke fliegen durch das Zimmer. Ins Dunkel. Das Dunkel breitet sich aus. Schwefelgeruch. Das Tier schreit, es blutet. Es schreit. Dann ist es einfach weg und es ist wieder ruhig.
Mit einem Zischen entzündet der Meister ein Schwefelholz, das er von einem zitternden kleinen Mädchen gekauft hat, für ein paar Pfennige. Und er reicht die Flammen auf einen Kerzenstummel. Es wird warm und man sieht, wie der Meister bereits die Teile geschickt zu einem Ganzen fügt. Er nimmt neue Teile dazu, frische, zurecht gebogen und sorgfältig ausgewählt. Seine Finger arbeiten flink. Schon läuft ihm Schweiß die hohe Stirn herab, wäscht Spuren auf die dreckige Wange bevor sich die Rinnsale sammeln und als dunkle Flecken auf den Leinen bleiben. Schläuche füllen sich und zucken unruhig. Der Alte dreht an der Kurbel. Seile spannen sich, Ketten und Scharniere quietschen, als die Synthese erneut beginnt. Es kocht das Blut. Der Alte atmet schwer. Aber er lächelt, er lacht. Zunächst als nur ein Kichern doch es schwillt an. Ein kühler Wind streicht leise durch die Blätter und spielt mit den Früchten, schaukelt sie hin und her. Und schwingt stärker und schwerer. Der Wind wird zum Sturm, machtvoll und ungezügelt, bis es beinahe wehtut. Der Sturm reißt kleine Äste ab und treibt den Regen wie eine Peitsche. Und er, er schüttelt sich vor Lachen.

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