Montag, 31. Mai 2010

Lost ist vorbei.

Lost hat hier zweierlei Bedeutungen. Zum einen steht es für das Ende der letzten Staffel...
Es ist direkt nach Wegzehrung entstanden.

Und jetzt
mach ich weiter wie immer
studieren und lesen
trainier'n, sublimieren
Hat damals ganz gut funktioniert.

Geh ohne zu lernen
aus dieser Geschichte
vernichte
Erinnerungen und Berichte,
täusch Taubheit vor, fragt wer nach dir.

Das Leben geht weiter
und bald schon erweist sich
dass "brauchen" und "lieben"
erstickbare Triebe sind

Die Sonne scheint heiter
ein Schimmer
das Erste und letzte
was ich von dir habe
trag ich heut noch immer.
Von beiden der kleinere Silberring
mit deinem Namen
glänzt an meinem Finger.

Wegzehrung

Eines der Gedichte, die der Melancholie eines Montagmorgen entsprungen sind.
Wie das meiste Gute eigentlich in einem Stück runtergeschrieben auf Papier im Hörsaal.
Ich dachte einen Augenblick daran es "Appetitverlust" zu nennen, fand dann aber, dass das dem Ganzen eine zu trübe Note gab.

Die Zwiebel, die immer ich schneiden sollte
Die Dose Mais, verstaubt, für uns're Pizza
(von denen wir mal zwei geschafft ham)
denn ich mag eigentlich keinen Mais.

Die braune Papiertüte
für die Sachen zum Backen
das hab ich behalten.

Blutorangensaft direkt und Brötchen
zum Frühstück an sonnigen Samstagen

und kürzlich fand ich im Froster
Mini-Cordon-bleus und Chickenwings

Die großen Portionen, die ich immer noch kaufe
noch koche und esse, weil dus nicht mehr tust.

Falls du mal kommst
spontan nach der Arbeit
mit Hunger
ist also noch was da für uns.
...keine Sorge!

Donnerstag, 11. März 2010

Die Gedanken sind frei

Diesen Text habe ich in meinen Unterlagen gefunden.
So wie ich das sehe ist er von vor Mai 2005, schätzungsweise aber von 2004.
Ich glaube mich zu erinnern, dass mich damals etwas im Fernsehen dazu inspiriert hat diesen Text zu schreiben.


-Die Gedanken sind frei-
Albert im Rollstuhl. Der gelähmte Mann ist in seinem Filzmantel zusammengesunken, der aufgestellte Kragen reicht ihm fast bis über den weißen Haarkranz. Sein Gesicht ist reglos, leicht nach oben gerichtet um nicht hinter dem roten Schal zu verschwinden. Die Haut faltig, an einigen Stellen von kleinen Narben durchzogen. Kraftlos hängende Gesichtszüge, etwas zerknautscht zwischen Filz und Schal. Auf seinem Schoß die Decke aus Schafswolle, die seine nutzlosen Beine vor Frostbeulen schützen soll.
Albert ist auf Hilfe angewiesen, ständig. Nach seinem Unfall vor einigen Jahren blieb ihm gerade noch genug Kraft das Essen das man ihm einflöst herunterzuschlucken. Seit jenem Tag, als er von dem Laster erfasst wurde, ist jede Bewegung in ihm eingeschlossen. Elsa kümmert sich um ihn.
Manchmal weint sie, saß nächtelang neben seinem Bett im Krankenhaus. Pflegte ihn, als er nach Hause konnte, kratzte mühsam die schmale Rente der Beiden zusammen, für die Medikamente. Begann sogar wieder zu arbeiten, Kinder zu betreuen, wenn sie von der Schule kamen.
Sie wäscht ihn jeden Morgen, schüttelt sein Bettzeug auf und gibt ihm zu Essen, spricht mit ihm, obgleich sie weiss, dass er niemals wird antworten können.
49 Jahre sind sie bereits verheiratet. Das nächste Jahr würde das Goldene werden. Manchmal erinnert Elsa sich, wie er damals plötzlich vor ihrer Tür stand, mit einem Strauß Wildblumen in der Hand und einem schüchternen Lächeln im Gesicht. Obwohl ihr Vater im Zimmer war, lud er sie auf einen Ausflug mit dem Cabrio ein, fuhr mit ihr raus aufs Land um in einem Kornfeld um ihre Hand anzuhalten. Seither sind sie jeden Tag beisammen gewesen.
Auch wenn an ihrem Hochzeitstag nur der Rohbau ihres Hauses fertig war, war er nicht umhin gekommen, sie auf seinen Händen über die Schwelle zu tragen.
Seit dem Unfall muss sie ständig für ihn da sein, Albert den Pflegefall. Albert, den reglosen Krüppel, der unfähig auch nur zu lächeln. Jener Albert, aus dem Kornfeld. Der Albert, der Vater ihres Kindes. Albert, das Kreuz, Albert die Last. Albert, ihr angetrauter Ehegatte. Manchmal, wenn sie ihn ansieht ertappt sie sich bei der Frage, wieviel von Albert noch in diesem Elend steckt.
Jener Albert sitzt nun in seinem Rollstuhl, den Blick wie immer müde nach vorne gerichtet, teilnahmslos in die Ferne. Mitten in der winterlichen Dämmerung, mitten in der Kälte, auf dem Feldweg. Hinter ihm steht Jenny, die ihn mit viel Mühe über den steinigen Boden hierhergeschoben hat und wartet. Sie warten auf Elsa, die jeden Augenblick hinter der Biegung erscheinen kann. Und da ist sie. Kleine, unsichere Schritte in viel zu kalten Halbschuhen, den Daunenmantel bis oben geschnürt stolpert sie über Stock und Stein auf die Beiden zu.
"Huch, was macht ihr denn hier draußen? Es ist ja eisig kalt!", spricht sie, den Blick immer wieder auf den Weg vor ihren Füßen gerichtet um nicht zu fallen.
"Komm hierher, Mammi." ruft Jenny. Elsa legt die letzten Schritte zurück.
"Warum habt ihr mich denn hier heraus gerufen? Ist etwas passiert?" - "Beruhig dich, Mammi, es ist alles in Ordnung." Behutsam schiebt sie Albert in seinem Stuhl etwas nach oben. "Papa möchte dir etwas zeigen." Keine Regung in Alberts Gesicht. Jenny geht einige Schritte auf das Feld zu, das vor ihnen liegt und greift nach etwas am Wegesrand. Zwischen dem kniehohen Gras auf dem Feld blinken Lampen auf. In rotem Licht liest man die Lettern "Danke" zwischen gilblichen Halmen und Stroh. Elsa hebt erschrocken die Hand vor den Mund. "Oh mein Gott!"
"Das ist für dich. Von Papa." - "Oh mein Gott!" Elsa blickt ins Feld. "Das ist unser Kornfeld." - "Ich weiß. Papa wollte dir hier Danke sagen. Für alles, was du ihm bedeutest, für all deine Mühe mit ihm." - "Oh mein Gott!" Diesmal kullern Tränen unter den braunen Rändern von Elsas Brille hervor.
"Es hat lange gedauert, bis ich wusste was er meinte." Jenny ist zwischen ihre Eltern getreten und spricht nun leise. "Und ich ihm helfen konnte. Er hat dich unheimlich lieb, Mammi"
Sie schluchzt ein wenig. "Ich... ich..." - "Für deine Fürsorge, Mammi, und deine Liebe." Jenny legt ihr die Hand auf die Schulter. Albert blickt aufs Feld. Durch tränenverschwommene Augen sieht Elsa ihren Mann an, stolpert zu ihm, beugt sich über ihn. Umarmt ihn und küsst ihn. "Mein Albert..."
In Alberts Augen glänzen rote Buchstaben. Eine Träne rinnt seine Wange herab.
Albert ist noch nicht tot.